Kampf dem Arbeits- und Fachkräftemangel

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Alexander Beck

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PersonalSCHWEIZ

2021 August

4 min

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In den kommenden Jahrzehnten verändert sich die Demografie in der Schweiz stark und in den nächsten 5 - 10 Jahren gehen geschätzte 20-25% der Babyboomer in Pension.

In den kommenden Jahrzehnten verändert sich die Demografie in der Schweiz stark und in den nächsten 5-10 Jahren gehen geschätzte 20-25% der Baby-Boomer in Pension.

Viele von Ihnen sogar bereits früher als geplant. Gemäss den Szenarien des Bundesamtes für Statistik verbreitert sich die Spitze der Alterspyramide damit immer weiter. Als Folge davon, wird sich die Anzahl der Rentner, die aus dem Berufsleben ausscheiden, quasi auf einen Schlag verdoppeln.

Für die florierende Volkswirtschaft Schweiz, die sich aus einem Corona-Zwischentief mehr als erholt hat bedeutet, dass in den nächsten Jahren die Balance zwischen Stellenangeboten und potenziell qualifizierten Arbeitnehmenden überproportional auseinanderdriftet. Dem dabei entstehenden Fachkräfte- und Kompetenzmangel, kann nur bedingt mit Rationalisierungs- und Digitalisierungseffekten (Einsparung von Personal), sowie der Fachkräfte-Migration entgegengewirkt werden. 

Angesichts der düsteren Prognosen möchten wir in diesem Artikel der Frage nachgehen, welche Lösungsansätze Politik und Wirtschaft zu bieten haben?
Alterspyramide der Schweiz 1860 - 2050

Demografisch bedingter Arbeits- und Fachkräftemangel 

Gemäss einer UBS-Studie von 2017 sollen in der Schweiz in den nächsten rund zehn Jahren 480‘000 Vollzeit arbeitende Personen fehlen. Es kommt zu einem demografisch bedingten Fachkräfte- und ganz entscheidend, Kompetenzmangel. Denn die Wirtschaft benötigt zunehmend ergänzende Kompetenzen rund um die Arbeitswelt 4.0. Jedes vierte mittlere bis kleine Unternehmen in der Schweiz wird dann akut vom Fachkräftemangel betroffen sein. Im Ingenieurwesen, den technischen Berufen, den Berufen des Treuhandwesens, in der Humanmedizin und Pharmazie sowie der Informatik ist bereits heute die Zahl der Vakanzen höher als jene der Stellensuchenden (Studie vom 26.11.2020 der Adecco Group Schweiz). 

Wer übernimmt Verantwortung bei der Bewältigung dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen? 

Zum einen die Politik: Sozialpolitisch müssen die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Unternehmungen konkrete Strategien und Konzepte aufsetzen können: beispielsweise im Thema Altersvorsorge oder der Bildungspolitik. Doch auf verbesserte Rahmenbedingungen zu warten, ist für die Unternehmen und HR-Abteilungen keine Alternative. Die Zeitbombe tickt und schon bald werden noch mehr Unternehmen Aufträge aufgrund fehlender Arbeitnehmer ablehnen müssen. 

Was ist die Lösung? Vier Handlungsfelder zeichnen sich ab: 

  • Umgestaltung des Arbeitsmarktes: Potential der (noch) nicht genügend ausgebildeten Arbeitnehmenden erhöhen mittels Umschulung, Weiterbildung und Vermehrung von Teilzeitarbeitsplätzen, insbesondere für Frauen.
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: flächendeckende Angebote von Kinderbetreuungseinrichtungen schaffen, Investition in Gesundheit und Bildung, um auch ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsprozess integriert zu halten. 
  • Höhere Lebensarbeitszeit: Anreizsysteme und angepasste Rahmenbedingungen der Sozialversicherungen (AHV, 2. Säule) gestalten.
  • Bildung: Grund-, Aus- und Weibildungsoffensiven für eine kontinuierliche Kompetenzentwicklung, Lifelong Learning, entlang des Wirtschaftsbedarfs, berufsbegleitend und am Bedürfnis des Arbeitsmarkts ausgerichtet, entwickeln.

Was unternimmt ein professionelles HR-Management? 

Mit diesen sieben HR-Strategischen Lösungsansätzen gehen Unternehmen das Problem ganzheitlich:

Folgende Themenfelder sollten systematisch und mit der aktuellen und zukünftigen Unternehmens- und HR-Strategie verknüpft und verankert werden. Am besten, indem eine Ist-Aufnahme der einzelnen Handlungsfelder mit dem zukünftigen Soll-Zustand abgeglichen wird (Cap-Analyse).

  1. Employer Branding – Corporate Identity – «der Treiber»: Was du nach Aussen anbietest und wie du nach Innen bist (Werte, Kultur, Identität), gelebte, echte Unternehmens-Werte sind entscheidend.
  2. Unternehmenskultur: Behandle deine bestehenden Mitarbeiter so wie du selbst behandelt werden möchtest. Dies ist die beste Retentionsmassnahme und kommt deutlich günstiger als alle anderen Aktivitäten. Fachkräftemangel löst sich durch Binden und durch Finden!
  3. Ausbildung: Ausbilden, Ausbilden und nochmals Ausbilden (on und off the job) – zukünftige Fähigkeiten wie Kollaboration, Lernkompetenz, Daten- und Digitalisierungskompetenz. Ausbildung bedeutet einen substanziellen Beitrag gegen den Fachkräftemangel und Qualifizierung in deiner Organisation und zahlt erst noch auf die Mitarbeiter-Bindung ein.
  4. Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsformen sind ein Erfolgsfaktor (New Work): Förderung der Teilzeitarbeit (nicht Präsenzzeit, sondern Arbeitserledigung zählt), Jahreszeitmodelle, mobiles Arbeiten, Gesundheitsmanagement, Work-Life-Balance, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Modelle von Bogenkarrieren (Wechsel von Linien- zu Stabsfunktionen).
  5. Innere Modernität der Unternehmungen: flache Hierarchien, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Job Enrichment, Möglichkeit für Sabbaticals (auch für junge Mitarbeitende), Gestaltungsraum, Übernahme von Verantwortung.
  6. Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten: Definiere für jeden Mitarbeitenden einen Mentor – vom Lernenden bis zum Pensionierten. Warum: Hier hörst du die Basis und ihre Bedürfnisse und kannst gezielt und strategisch Weiterbildungsaktivitäten steuern.
  7. Faire Bezahlung: Hygienefaktor der stimmen muss (Angebot und Nachfrage des Arbeitsmarkts).

Ein strategisches HR Management findet hier die richtigen Lösungsansätze, um diese Transformation der Unternehmungen in Bezug auf die Fachkräfteproblematik, erfolgreich zu unterstützen. Dazu sind verschiedene Faktoren entscheidend. HR muss das Geschäfts- und Businessmodell verstehen und „lesen“ können und die Handlungen konsequent an der Organisation ausrichten. Zudem muss in Szenarien gedacht und entwickelt werden und nicht auf Vorrat. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen laufen rasch ab und es bedarf einer agilen, adaptierbaren HR-Strategie. Basis dafür bildet beispielsweise eine strategische Personalbedarfsanalyse.

Quellen und weiterführende Informationen 

Bundesamt für Statistik: Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 2015-2045.

Kalt, D. (2017). Das digitale Zeitalter. UBS Outlook Schweiz, 4. 

Studie: Stellenmarkt-Monitor Schweiz (SMM) am Soziologischen Institut der Universität Zürich und Adecco Group Schweiz: Fachkräftemangel Index 2020 

(https://ssi.springprofessional.ch/fachkraeftemangel-index-schweiz-2020/)

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